Plein sud

 

Léa (Léa Seydoux) ist schwanger, diese frustrierende Neuigkeit macht sie mit einem trotzigen Striptease vor Sam vergessen. Mathieu (Théo Frilet) filmt unentwegt, lächelt mit einem Engelsgesicht, sagt offen, dass er in Sam (Yannick Rénier) verliebt ist und kassiert dafür die üblichen Schwulenwitze. Sam und das Geschwisterpaar sind in Sams altem Ford unterwegs von der Normandie nach Spanien. Jeremie (Pierre Perrier) kommt hinzu und lenkt Léas Girlie-Sex von Sam ab. So könnte Sébastien Lifshitz’ Sommerfilm „Plein sud“ auf eine Affaire zwischen Mathieu und Sam hinauslaufen, doch der verschlossene Sam, älter als die dreist charmanten Teenies, hat eine Mission.

„Plein sud“, der dritte lange Spielfilm des französischen Regisseurs, kreist wie sein Vorgänger „Wilde side“ um junge Typen, deren frivole Fassaden Risse bekommen. Schmerzhaften Familienerinnerungen kehren wieder und blockieren die Gefühle. Die Reise ist eigentlich ein Aufbruch zur Rache, denn Sam trägt die Pistole seines Vaters bei sich, mit der sich dieser zwanzig Jahre zuvor nach einem Streit mit der Mutter (Nicole Garcia) erschoss. Sam und sein jüngerer Bruder wuchsen in Pflegefamilien auf, die psychotische Mutter verschwand in der Klinik. Nun schrieb sie ihm, dass sie aus der psychiatrischen Behandlung entlassen sei und ein neues Leben beginne.

Lifshitz erzählt dieses Trauma in stillen Rückblende-Episoden aus der Perspektive des heranwachsenden Sam. So ist „Plein Sud“ eher eine subtile psychologische Studie als ein klassisches Roadmovie über eine Gruppe frivoler Ferientramper. Die Last, die der Protagonist mit sich trägt, macht ihn stumpf. Mathieu, der sich in den Fahrer zu verlieben beginnt, kann ihn zwar bei einem tollen nächtlichen Strandfest am Meer endlich verführen, aber Sam muss danach allein weiterreisen, bis er – die Pistole bei sich tragend – die Mutter gefunden hat, mit ihr am Tisch sitz und Worte findet. „Plein sud“ beginnt als harmlos auftrumpfender Ensemblefilm und endet in einer schönen, aus respektvoller Distanz gefilmten Szene der Einsamkeit, in der Sam sich in einem schönen Ritual die Lasten vom Körper wäscht.